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Als ich in Deutschland aufwuchs, war ich im Umkreis von über 40-km das einzige Kind mit beiden Eltern aus indischer Herkunftskultur. Es war nicht immer einfach, die paar hundert Millionen Bewohner des Subkontinents zu repräsentieren und mit einem bunten Kessel an Fragen umzugehen, der alle möglichen Arten von „Warum…?“, Schlangenbeschwörern, Tempelelefanten, Philosophen, aber auch die Statik der Kuppel des Taj Mahal enthielt. Doch spätestens seit 2021 werde ich teilweise entlastet und ich strahle längst nicht mehr jede Person mit mutmaßlich südasiatischen Gesichtszügen an, die in Berlin meinen Weg kreuzt, da dies zu einem sehr missverständlichen Dauerlächeln führen könnte - allein in Berlin leben mittlerweile über 40.000 Inderinnen und Inder.
Germany ist aus indischer Sicht hip – und eine gute lebensplanerische Entscheidung
Deutschland genießt ein sehr positives Image in Indien. Das Bildungssystem gilt als sehr hochwertig, und „Made in Germany“ ist noch immer ein unhinterfragtes globales Benchmark. Viele möchten auf den Spuren des Musicals „The Sound of Music“ wandelnd bis ins Berchtesgadener Land gelangen, Neuschwanstein gesehen und das Oktoberfest erlebt haben (Letzteres vermutlich kein zweites Mal, da Mythos und Realität da ein wenig auseinandergehen). Der Gegensatz zu den brummenden indischen Metropolen, zusammen mit der Entschleunigung im Alltag, der Natur vor der Haustür und, -so wird geraunt-, die hohe Bedeutung einer Work-Life Balance erscheinen verlockend. Es wird erwartet, dass die Mehrheit der indischen Studierenden in Deutschland, der größten Community, innerhalb der EU auf Jobsuche gehen wird. Arbeitsplätze werden in Indien nicht in ausreichender Menge generiert, um der Masse an innerindischen Studienabsolventen gerecht zu werden. Die sogenannten Global Indians, die mittelfristig in den indischen Arbeitsmarkt zurückkehren könnten, so heißt es, höhere Gehälter verlangen, die mit den Gehältern der Absolventen der IIM und IIT – Eliteschmieden mühelos mithalten.
Die kulturelle Ambiguitätstoleranz, die auch angesichts der großen regionalen Vielfalt Indiens eine wichtige Sozialkompetenz darstellt, ist in Deutschland ebenfalls von Vorteil, während man in diese neue Kulturerfahrung eintaucht. Inder stellen global die größte Diaspora-Community. Sie überweisen hohe Beträge an ihre Familien zurück, rechnen mit einer hohen Lebensqualität in Deutschland und setzen darauf, auch auf lange Sicht in gefragten, nachhaltigen Jobs zu arbeiten zu können.
Indische Fachkräfte mit Stellenzusagen aus Deutschland kommen oft nach Deutschland mit der Vorstellung, in Deutschland Familien zu gründen und ihre Kinder in erschwingliche Schulen und Universitäten mit hoher globaler Wettbewerbsfähigkeit zu schicken. Sie können beizeiten die ältere Generation nachholen und kommen mit Englisch überall in Deutschland zurecht.
Doch wenn ich von meinem indischen Netzwerk näher befragt werde, lasse ich dann doch ein paar Wermutstropfen fallen: Lebenshaltungskosten werden oft unterschätzt. Für Studierende gibt es beispielsweise keine betreuten Wohnmodelle wie WGs mit „Parental Guardians“ – eine Art Herbergseltern, die eine Fürsorgepflicht gegenüber Studierenden und Young Professionals wahrnehmen (und regelmäßig nach Hause berichten, wie sich der Nachwuchs benimmt) - also ein „Home Away from Home“. Weit gefehlt. Das Geschäft mit überteuerten beengten Kammern zu horrenden Preisen floriert. Kurzum, es gibt im Vorfeld viel zu wenig Information über die angespannte Wohnsituation – diese könnte Entscheidungen bezüglich des Wohnorts, der Bidlungseinrichtung und sogar der Wahl des Studienfachs beeinflussen. Auch Young Professionals stranden immer wieder in Randbezirken und finden kaum gesellschaftlichen Anschluss. Die Unterstützung der Bildungseinrichtungen zwischen der Zusage des Studienplatzes und vieler Unternehmen noch vor dem Eintreffen in Deutschland ist spärlich, oft liegt es den wenigen überarbeiteten Sachbearbeitern überlassen, Last Minute Schützenhilfe zu leisten. Mitausreisende Angehörige von Fachkräften haben selten die Chance, zeitnah an ihre Qualifikationen aus Indien anzuknüpfen, die sie zugunsten der haupterwerbstätigen Person hinter sich gelassen haben. Das Potenzial der mitausreisenden Angehörigen für den deutschen Arbeitsmarkt wird nicht ausgelotet. Während die Arbeitnehmer sich zumindest teilweise in vertrauten Abläufen und Mustern im Arbeitsalltag wiederfinden, sind Angehörige oft allein mit der Herausforderung, sich im Alltag zurechtzufinden. Perspektivlosigkeit und Einsamkeit sind oft die Folge.
Haben junge Erwerbstätige in Deutschland erst einmal Fuß gefasst, planen sie oft schon beim übernächsten Schritt: Die Eltern nachholen, die im Alter traditionell bei ihren Kindern leben. Dies hätte den Vorteil, dass in Deutschland eine umfassende gesetzliche Krankenversicherung abgeschlossen werden kann, da die Kosten für medizinische Behandlungen in Indien oft privat bezahlt werden müssen. Allerdings resultiert daraus eine hohe finanzielle Belastung für Arbeitnehmer: Zu den Voraussetzungen für die Einwanderung zählen : Größeren Wohnraum finden und die Kosten für die Versicherung übernehmen. Für Einzelverdiener eine große Herausforderung. Selten finden die „umgetopften“ älteren Angehörigen Anschluss. Eine umfassende Studie der Expat Community Plattform Internations kam zu sehr interessanten Erkenntnissen: In der Kategorie „Ease of Settling In“ schneidet Deutschland auffallend schlecht ab. Spätestens dann rächt sich die Annahme, man könnte sich nach dem obligatorischen Deutsch Sprachzertifikat zurücklehnen und in einem anglophonen Expat – Bubble leben. Der Nachwuchs, der in Kita und Schule ganz selbstverständlich mehrsprachig heranwächst, wird oft als „Kulturmittler“ von den Eltern eingesetzt.
Zwei entscheidende Stellschrauben könnten justiert werden: Während der Vorqualifizierungsphase in Indien fehlt oftmals ein interkulturelles „Onboarding“. Bildungsträger, die Deutschunterricht anbieten, fokussieren selten auf spezifische berufliche und realitätsnahe Umfeldaspekte. Übungen zum Thema „Wie finde ich den Dom und einen Parkplatz?“ oder die korrekte Aussprache des Wortes „Pappschächtelchen“ sind keine wesentlichen Integrationsbeschleuniger. Häufig wird nicht darauf vorbereitet, dass man in Deutschland in einer multikulturellen Gesellschaft und nicht „Allein unter Deutschen“ leben wird.
Darüber hinaus wären Weiterbildungsangebote und beschleunigte Anerkennungsverfahren für mitreisende Angehörige mit beruflicher Qualifikation wünschenswert. Schließlich könnten Nachbarschaftsinitiativen in den Gemeinden dazu beitragen, die Integration der älteren Familienmitglieder zu erleichtern.
Das waren ein paar erste Gedanken im Hinblick auf eine - hoffentlich nachhaltige -Fachkräftegewinnung. To be continued…
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